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Die Rechtsstaatlichkeit der Demokratie steht auf dem Spiel simon Do., 27.02.2025 – 11:42 Artikel 25. Februar 2025 Marc Spescha Dieser Aufsatz erschien zuerst in der Zeitschrift plädoyer (1/2025) und wurde uns vom Autor und der Redaktion freundlicherweise zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Beschwerde der Klimaseniorinnen stiess in der Schweiz auf Unverständnis. Die Richter bejahten die Befugnis der Klimaseniorinnen zur Beschwerde gegen die unzureichende Umsetzung von Klimamassnahmen einstimmig und sahen den Schutz des Privatlebens mit 16 zu 1 Stimmen als verletzt an. Auch bei Medien löste das Urteil einen Sturm der Entrüstung aus. Die NZZ sah sich zu journalistischen Kanonaden gegen die «anmassenden» Richter in Strassburg veranlasst, so unter Titeln wie «Absurdes Urteil gegen die Schweiz: Strassburg betreibt Klimapolitik von der Richterbank herab»[1],«Heute Aktivist, morgen Richter: Wie unparteiisch ist das Strassburger Gericht?»[2], «Hüter des Weltklimas: In Strassburg herrscht der Grössenwahnsinn»[3]. Ihr Visier richtete sich dabei vornehmlich auf Andreas Zünd,[4] Vertreter der Schweiz in dem nach dem Aus scheiden von Russland noch 46-köpfigen Gerichtshof, der das Klima-Urteil mittrug und sich erlaubte, es auch öffentlich zu verteidigen.[5] Auch der amtierende Bundesrichter Thomas Stadelmann stimmte in den Refrain des «richterlichen Aktivismus» ein und kritisierte Richterkollegen. Dies hatte eine harsche Rüge seitens der Verwaltungskommission des Bundesgerichts zur Folge.[6] Die Rechtskommissionen von National- und Ständerat[7] riefen dazu auf, dem Urteil keine Folge zu leisten. In diesen Chor stimmte SP-Ständerat und Rechtsprofessor Daniel Jositsch nicht nur ein, sondern tat sich als Wortführer der Rebellen wider die Autorität des EGMR und der konventionsrechtlichen Verpflichtungen hervor.[8] Bundesbern kritisiert Klima-Urteil harschNational- und Ständerat folgten den Kommissionsanträgen und hielten in einer Erklärung unter dem Titel «Effektiver Grundrechtsschutz durch internationale Gerichte statt gerichtlicher Aktivismus» «besorgt fest», dass sich der Gerichtshof durch seine Art der Vertragsauslegung dem «Vorwurf eines unzulässigen und unangemessenen gerichtlichen Aktivismus aussetzt». In der Erklärung wird ferner an den Gerichtshof…