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Update 15.11.2023: Das Oberste Gericht in London hat entschieden, dass der UK-Ruanda Deal rechtswidrig ist. Denn Flüchtlingen drohe die Abschiebung aus Ruanda in ihr Herkunftsland und damit in die Verfolgung, so die Richter*innen einstimmig.
Die Bundesregierung hat beim Treffen der Regierungschefinnen und ‑chefs der Bundesländer mit Bundeskanzler Olaf Scholz am vergangenen Montag unter anderem zugesagt, zu prüfen, ob Asylverfahren außerhalb Europas möglich sind (Zusammenfassung aller Beschlüsse siehe hier).
Ausverkauf der Menschenrechte:
Deutschland stimmt für Aushebelung des Flüchtlingsschutzes
Wortwörtlich heißt es: »Die Bundesregierung wird prüfen, ob die Feststellung des Schutzstatus von Geflüchteten unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention zukünftig auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann.« Damit wird dieser Prüfauftrag, der im Koalitionsvertrag nur in Bezug auf »Ausnahmefälle« angekündigt war, nun ohne Einschränkung bestärkt.
Wenige Stunden vor der Bund-Länder-Konferenz hatten die unionsgeführten Länder mit ihrer Forderung Druck gemacht, Asylverfahren außerhalb Europas durchzuführen. Unterstützung erhielten sie dabei von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr hatte einer gleichlautenden Forderung von NRW-Ministerpräsident Henrik Wüst (CDU) vor einigen Tagen ebenfalls zugestimmt.
Auslagerung von Asylverfahren funktioniert nicht ohne Menschenrechtsverletzungen
In der aktuellen Debatte, in der sich der Diskurs massiv nach rechts verschiebt, und es vor rechtswidrigen und nicht wirksamen Vorschlägen nur so wimmelt, hält PRO ASYL es für einen gravierenden Fehler, Ideen wie der Externalisierung von Asylverfahren Vorschub zu leisten. Solche Vorschläge erreichen das Gegenteil von dem, was sie bezwecken – sie tragen dazu bei, die gesellschaftliche Akzeptanz für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland und Europa weiter zu untergraben.
Vorschläge für die Auslagerung von Asylverfahren gibt es schon lange, funktionierende Modelle aber kaum und ohne massive Menschenrechtsverletzungen keine. Die Idee ist verlockend: Das Sterben im Mittelmeer beenden, indem Menschen sich nicht mehr auf den gefährlichen Weg machen müssen. Aus genau diesem Grund fordert PRO ASYL schon lange den Ausbau von sicheren und legalen Zugangswegen wie Resettlement, humanitären Aufnahmeprogrammen und Familiennachzug.
Doch eine Externalisierung von Verfahren wird Fluchtbewegungen nicht unterbinden und das Sterben nicht beenden. Zudem gibt es zahlreiche rechtliche, politische und praktische Hürden.
Haftlager an den Außengrenzen und Abschiebungen in Drittstaaten:
Ist das die Zukunft?
Auch SPD-Abgeordnete fordern Externalisierung von Asylverfahren
Trotzdem geht auch ein Vorschlag aus den Reihen der SPD in eine ähnliche Richtung: Drei SPD-Bundestagsabgeordnete haben ein »Impulspapier« mit dem Titel »Schluss mit dem Massengrab Mittelmeer durch humanes und kontrolliertes Asylmanagement« verfasst. Neben sicheren Fluchtrouten wie Resettlement, einer staatlich organisierten Seenotrettung, einem Ende von Pushbacks und Rückführungsabkommen mit sicheren Drittstaaten fordern Prof. Lars Castellucci, Fabian Funke und Frank Schwabe darin die Externalisierung von Asylverfahren in Drittstaaten.
Demnach sollen Schutzsuchende in »Migrations-Zentren« in »sicheren Drittstaaten« die Möglichkeit zum Stellen von Asylanträgen bekommen. Menschen, die einen Schutzstatus erhalten, sollen dann in der Europäischen Union (EU) aufgenommen werden. Auch Geflüchtete, die ohne Erlaubnis in die EU eingereist sind, sollen in diese »Migrations-Zentren« überführt werden. Bei positivem Bescheid soll bei ihnen »über Kontingente die sichere Einreise in die EU gewährleistet« werden. Die Idee: So würden weniger Menschen den tödlichen Weg über das Mittelmeer wagen.
SPD-Chef Lars Klingbeil zeigte sich offen für die Idee. Am Dienstag war Gerald Knaus, Leiter der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative, in der SPD-Fraktionssitzung zu Gast. Er gilt als Architekt des EU-Türkei-Deals und wirbt seit langem für Verfahren in Drittstaaten. PRO ASYL ist der Ansicht, dass die Auslagerung von Asylverfahren nicht ohne Menschenrechtsverletzungen und massive Härte gegen Schutzsuchende funktioniert.
Der Ansatz, Flucht über bestimmte Routen verhindern zu wollen, führt aber primär dazu, dass fliehende Menschen andere – oft gefährlichere – Routen nehmen.
Fluchtrouten verschieben sich und werden gefährlicher
Als Vorbild für Abkommen mit Drittstaaten wieder immer wieder der EU-Türkei-Deal angeführt. Der Ansatz dieses und ähnlicher Abkommen, Flucht über bestimmte Routen verhindern zu wollen, führt aber primär dazu, dass fliehende Menschen andere – oft gefährlichere – Routen nehmen.
Manch einer behauptet, dass der EU-Türkei-Deal von 2016 dazu geführt habe, dass weniger Menschen sterben. Tatsächlich haben sich die Überfahrten und die Anzahl der Toten und Vermissten auf der ägäischen Route seit 2016 verringert. Das liegt jedoch nicht allein am Deal – Fluchtdynamiken sind sehr viel komplexer. Derweil sind die Grenzen heute tödlicher: Vor dem Deal im Jahr 2015 starb laut Zahlen des UNHCR eine von rund 1.000 Personen, die die Überfahrt nach Griechenland wagte – im Jahr 2022 starb eine von 55 Personen. Die Dunkelziffer dürfte um einiges höher sein.
Gewaltsame Pushbacks durch griechische Behörden haben in den letzten Jahren zugenommen. Heute erreichen die meisten Schutzsuchenden die EU über die zentrale Mittelmeerroute und kommen in Italien an. Fluchtbewegungen lassen sich durch solche Externalisierungs-Modelle nicht unterbinden, stattdessen verlagern sich Fluchtrouten und werden tödlicher.
Schlechte Vorbilder: UK-Ruanda-Deal, EU-Türkei-Deal und »offshore processing« in Australien
Als mögliches Partnerland für Abkommen mit Drittstaaten wird immer wieder das ostafrikanische Ruanda genannt. Auch von einer Wiederbelebung des EU-Türkei-Deals ist aktuell wieder die Rede. Der UK-Ruanda-Deal, der EU-Türkei-Deal und das Australien-Modell zeigen jedoch klar und deutlich, dass solche Externalisierungs-Modelle nicht wie vorgesehen umsetzbar sowie massive Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit vorprogrammiert sind.
Diese Deals dürfen keine Blaupause für weitere Abkommen sein!
Das EU-Abkommen mit der Türkei ist selbst gemessen an seinen eigenen Zielen dysfunktional: Das Resettlement aus der Türkei in die EU hat nicht wie vorgesehen geklappt (Aufnahme von nur ca. 39.000 syrischen Geflüchteten aus der Türkei in EU-Staaten, vorgesehen waren 72.000 Menschen), der 1:1‑Austausch-Mechanismus ist gescheitert, und seit 2020 nimmt die Türkei keine abgelehnten Asylsuchenden aus Griechenland zurück (insgesamt wurden ca. 3.000 Menschen abgeschoben).
Obwohl der Deal in diesem Sinne nicht »funktioniert« hat, hat er massenhaftes Leid für Tausende Schutzsuchende verursacht, die auf den griechischen Inseln unter unmenschlichsten Bedingungen festgesetzt und denen ein Zugang zum Asylverfahren verwehrt wurde. Humanitär war und ist der Deal eine Katastrophe.
Kolleg*innen unserer griechische Partnerorganisation Refugee Support Aegean (RSA) dokumentieren seit über sieben Jahren das Scheitern des EU-Türkei-Deals, der die Rechtsstaatlichkeit an Europas Außengrenzen massiv gefährdet. Der EU-Türkei-Deal hat unter anderem zu dem Elendslager Moria auf Lesbos geführt, wo mehr als 12.000 Geflüchtete in Europa in Slum-ähnlichen Zuständen lebten. Eine von PRO ASYL in Auftrag gegebene Studie hat zudem gezeigt, dass Tausende afghanische Schutzsuchende ohne Prüfung der Fluchtgründe aus der Türkei nach Afghanistan abgeschoben worden sind. Auch Syrer*innen wurden immer wieder in ihr Herkunftsland abgeschoben, die Türkei ist kein »sicherer Drittstaat«.
Maximilian Pichl hat in einer Studie im Auftrag von medico international den Zusammenhang zwischen dem EU-Türkei-Abkommen und der Einführung des Hotspot-Systems auf den griechischen Inseln untersucht. Der Bericht zeigt, dass die Politik der Auslagerung von Verantwortung auf den griechischen Inseln zu menschenunwürdigen Zuständen, einer Unzuständigkeitsstruktur zwischen den involvierten Akteur*innen und einer systematischen Entrechtung der Geflüchteten geführt hat.
Ärzte ohne Grenzen (MSF) hat auf den griechischen Inseln Hunderte von Menschen wegen schwerer psychischer und physischer Erkrankungen behandelt, die auf ihre Inhaftierung durch griechische Behörden zurückzuführen sind.
Das Oberste Gericht in London hat am 15.11.2023 entschieden, dass der UK-Ruanda Deal rechtswidrig ist.
Das geplante britische »Ruanda-Modell« sah vor, dass Geflüchtete, die »unerlaubt« in das Vereinigte Königreich einreisen, festgehalten und zur Prüfung ihres Asylantrags nach Ruanda ausgeflogen werden. Die konservative Regierung beabsichtigte, dass Migrant*innen auch bei positiver Asylentscheidung in Ruanda bleiben und nicht nach Großbritannien zurückkehren.
Dänemark hat 2021 ein Gesetz verabschiedet, nach dem Asylantragstellende in Zentren in Nicht-EU-Partnerländer abgeschoben werden können, wo ihre Anträge geprüft werden. Im September 2022 unterzeichnete Dänemark eine gemeinsame Erklärung zur bilateralen Kooperation der beiden Staaten, um die Einrichtung eines Asylzentrums außerhalb der EU voranzutreiben. Die Gespräche sind aktuell jedoch ausgesetzt, weil Dänemark auf eine europäische Lösung hofft.
Der UNHCR vertritt die Position, dass Ruanda kein sicherer Drittstaat für Flüchtlinge ist, da verfahrensrechtliche und inhaltliche Garantien dort nicht gewährleistet sind. Er hält die Pläne des Vereinigten Königsreichs, Asylsuchende nach Ruanda zu schicken, entsprechend für rechtswidrig und für nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar.
Der erste Ruanda-Abschiebeflug war vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg mit einer einstweiligen Verfügung in letzter Minute gestoppt worden.
Medical Justice hat einen Bericht veröffentlicht, in dem das beschleunigte und unklare Verfahren beschrieben wird, dem Asylsuchende, die nach Ruanda abgeschoben werden sollen, im Vereinigten Königreich ausgesetzt sind. Er belegt unter anderem das Fehlen wirksamer Prüfverfahren und die Schäden, die die Aussicht auf eine Abschiebung nach Ruanda für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen verursacht hat.
Australien hat im Jahr 2012 einen Deal mit dem Inselstaat Nauru und der Insel Manus, die zu Papua-Neuguinea gehört, geschlossen. Asylsuchende, die über den Seeweg eintreffen und deren eigentliches Ziel Australien ist, wurden seitdem in Lagern auf den beiden Inseln festgehalten. Der Zugang zu Australien wurde selbst bei Erhalt eines Schutzstatus ausgeschlossen. Seit dem Deal haben die australischen Behörden mehr als 4.000 Flüchtlinge in den Insel-Lagern unter unmenschlichsten Bedingungen inhaftiert. Manche haben dort bis zu zehn Jahren verbracht. Hunderte Flüchtlinge wurden in andere Länder umgesiedelt (»resettlement«) oder in ihre Herkunftsländer abgeschoben.
Ärzte ohne Grenzen (MSF) hat auf der Pazifikinsel Nauru elf Monate lang psychische Gesundheitsversorgung geleistet, bevor sie im Oktober 2018 von der nauruischen Regierung gezwungen wurde, die Insel zu verlassen. In einem Bericht beschreibt MSF das extreme psychische Leiden auf der Insel: Fast ein Drittel der Patient*innen hatte einen Selbstmordversuch unternommen, bei zwölf Patienten wurde das seltene psychiatrische »Resignationssyndrom« diagnostiziert.
Human Rights Watch berichtet von der Grausamkeit der Lager, in denen sieben Menschen Selbstmord begangen haben und Kinder traumatisiert wurden.
Amnesty International kritisierte die systematische Inhaftierung auf den Inseln bereits 2002 als willkürlich und als einen Verstoß gegen das Völkerrecht.
Die »Good Will« Botschafterin des UNHCR, Cate Blanchett, verurteilte am Mittwoch vor dem Europäischen Parlament die »schädliche Politik der Externalisierung«, und bezog sich dabei auch auf Erfahrungen mit Australiens Flüchtlingspolitik.
Angesichts der Erfahrungen mit den oben aufgeführten Modellen der Auslagerung von Asylverfahren ist es aktuell schlicht unrealistisch, dass solche Verfahren menschenrechtskonform stattfinden könnten. Es ist davon auszugehen, dass es bei einer möglichen Umsetzung der aktuellen Forderungen zu ähnlichen Entwicklungen kommen würde. Das ist die Realität von solchen Deals, die am Reißbrett entworfen werden.
Viele Drittstaaten wollen sich nicht zu »Handlangern« für die EU machen
Die Idee kursiert schon länger: 2004 sprach Otto Schily (SPD) von EU-Flüchtlingslagern in Nordafrika, zehn Jahre später forderte Thomas de Maizière (CDU) »Aufnahmezentren« für Flüchtlinge in Nordafrika und 2018 wurden »Ausschiffungsplattformen« für aus Seenot gerettete Flüchtlinge diskutiert. Doch immer wieder scheiterte die Idee bereits daran, dass Deutschland keine verlässlichen Regierungen in Drittstaaten finden konnte, die bereit wären, bei sich im Land entsprechende Zentren zu bauen und die Verantwortung für die Schutzsuchenden zu übernehmen.
Die vergangenen Jahre haben deutlich gezeigt, wie erpressbar die EU sich mit solchen Abkommen von oftmals autokratischen Staaten macht: Der EU-Türkei-Deal ist nur ein Beispiel dafür. Wenn Machthaber*innen damit drohen, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen, können sie von der EU sämtliche Zugeständnisse erzwingen.
Die versuchte Kooperation mit Tunesien zur Verhinderung von Flucht über das Mittelmeer zeigt zudem, dass eine entsprechende Zusammenarbeit zu noch mehr Menschenrechtsverletzungen an Geflüchteten führen und autokratische Regierungen keine zuverlässigen Partner sind.
Die meisten Asylsuchenden in Deutschland haben ein Recht auf Schutz
Aktuell erhalten über 70 Prozent aller Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen, bei inhaltlichen Entscheidungen einen Schutzstatus (dazu kommen noch die vielen nachträglichen Schutzanerkennungen durch die Gerichte). Diese Menschen bei Ankunft zunächst in Drittländer auszufliegen, um dort Verfahren durchzuführen, um sie dann wieder in Deutschland aufzunehmen, würde einen immensen und unnötigen Verwaltungs- und Kostenaufwand darstellen – ganz zu schweigen von dem menschlichen Leid, das mit solchen Verzögerungen einhergehen würde.
Der Koalitionsvertrag sieht zudem die inhaltliche Prüfung der Asylanträge von Menschen, die in der EU ankommen oder bereits hier sind, vor. Das schließt eine Abschiebung in einen außereuropäischen Drittstaat direkt nach Ankunft in Europa aus.
Global betrachtet: Auslagerung von Asylverfahren ist verantwortungslos
Bei den aktuellen Vorschlägen wird wiederholt auf die zentrale Rolle des UNHCR verwiesen, um humanitäre und menschenrechtliche Standards sowie Rechtsstaatlichkeit zu garantieren. Der UNHCR registriert Flüchtlinge in Staaten, in denen es kein funktionierendes staatliches Asylverfahren gibt. Zudem führt er Auswahlverfahren für das sogenannte »Resettlement« durch, also die gezielte Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen in aufnahmebereite Länder, komplementär zum individuellen Schutz.
Es wäre fatal, wenn nun europäische Länder – die gut ausgebaute Asylsysteme und große Asylbehörden haben – auch den UNHCR für ihre Zwecke in der Auslagerung von Asylverfahren einspannen wollen. Sollte UNHCR sich nicht in seiner Arbeit auf die Unterstützung von wirtschaftlich schwächeren Ländern konzentrieren, die global gesehen drei Viertel der weltweiten Flüchtlinge aufnehmen?
Zudem ist es absurd, dass Länder wie Ruanda – ein ostafrikanisches Land, das kleiner ist als Baden-Württemberg – immer wieder als Lösung für die Probleme der Europäischen Union, oder auch nur Deutschlands, in der Flüchtlingspolitik genannt werden.
Italienische Lager in Albanien, österreichischer Ruanda-Deal?
Obwohl der Vorschlag weder praxistauglich noch mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar ist, scheint die Idee der Externalisierung von Verantwortung in Europa aktuell Konjunktur zu haben. Vermeintlich einfache Lösungen sind in angespannten Zeiten beliebt, wenn Politiker*innen Handlungsmacht demonstrieren wollen. So strebt laut dem österreichischen Innenminister Gerhard Karner nun auch die Regierung in Wien die Verlagerung von Asylverfahren in »Drittstaaten außerhalb Europas« nach britischem Vorbild an.
Unterdessen hat die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Montag eine Absichtserklärung mit ihrem albanischen Amtskollegen Edi Rama unterzeichnet, nach der Italien in Albanien Zentren für Asylsuchende bauen darf – ein gefährlicher Präzedenzfall. Albanien dürfte sich im Gegenzug über Unterstützung beim EU-Beitritt freuen.
Laut Medienberichten ist geplant, bis zum kommenden Frühjahr zwei Lager mit jeweils 3.000 Plätzen in Albanien in Betrieb zu nehmen. In den Zentren sollen die Asylanträge von Menschen, die auf dem Mittelmeer von staatlichen italienischen Schiffen aus Seenot gerettet worden sind, bearbeitet werden. Wer Asyl erhält, soll nach Italien ausreisen dürfen. Wer kein Asyl erhält, soll direkt aus Albanien abgeschoben werden – eines der beiden Lager soll eine Abschiebungshaft sein. »Wenn es Italien nicht gelingt, die Menschen abzuschieben muss es sie zurücknehmen«, so Edi Rama.
Das Abkommen ist bisher nicht öffentlich, die Zentren sollen offenbar unter italienischer Jurisdiktion stehen. Asylrechts-Expert*innen kritisieren das Memorandum of Understanding als undurchsichtig, unmenschlich, undurchführbar und ohne Rechtsgrundlage. Zahlreiche rechtliche Fragen, insbesondere zu Garantien auf albanischem Staatsgebiet, sind noch offen. Nach Angaben der Europäischen Kommission muss zunächst eine operationelle Vereinbarung von Italien in ein Gesetz gebracht und implementiert werden.
Amnesty International hat das Abkommen scharf als eine Form des Refoulements, also der rechtswidrigen Zurückweisung, verurteilt. Das Abkommen werde dazu genutzt, nationales, internationales und EU-Recht zu umgehen.
Soziale Infrastruktur ausbauen statt Illusionen nähren
Die Bevölkerung erwartet von der Bundesregierung hilfreiche Antworten auf die Herausforderungen bei der Flüchtlingsaufnahme. Modellüberlegungen, die absehbar aktuell nicht umsetzbar sind, schüren dagegen falsche Erwartungen und spielen denen in die Hände, die Flüchtlingsschutz und Menschenrechte weiter untergraben wollen.
Anstatt Luftschlösser zu bauen, wäre es vorausschauender nun alle Ressourcen in den Ausbau der sozialen Infrastruktur in Deutschland zu stecken (siehe hierzu auch den zivilgesellschaftlichen Fünf-Punkte-Plan für eine funktionierende Asyl‑, Aufnahme- und Integrationspolitik). Die Bundesregierung darf keine illusorischen Pläne verfolgen, sondern muss menschenrechtskonform und pragmatisch handeln.
(hk)
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