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Sie mussten 2018 mit Ihrer Frau aus dem Iran nach Deutschland fliehen. Trotz Ablehnung Ihres Asylantrags fanden Sie ziemlich schnell eine Arbeit. Wie ist Ihnen das gelungen?
Ich wollte unbedingt so schnell wie möglich arbeiten. Im Iran war ich vor meiner Flucht zwölf Jahre als Tischler mit Spezialisierung auf Schnitzerei tätig. In dem Gebäude meines Sprachkurses gab es auch eine Schreinerei. Nach dem letzten Sprachkurs bin ich dort hingegangen und habe einfach geklopft. Mein Deutsch war noch eine Katastrophe [lacht]. Ich habe bei Google Translate »Ich will arbeiten« eingegeben und das dem Mann an der Tür gezeigt. Es hat geklappt: Ich habe einen zweimonatigen Praktikumsplatz erhalten.
Anschließend wollte mich die Schreinerei sogar anstellen. Damals hatte ich eine Aufenthaltsgestattung, also kein grundsätzliches Arbeitsverbot. Aber nach zwei Monaten Bearbeitungszeit lehnte die Ausländerbehörde meinen Antrag auf Arbeitsaufnahme ab, weil das Gehalt zu niedrig war.
Ich suchte weiter. Der Chef einer anderen Schreinerei war interessiert, aber als er meine Aufenthaltsgestattung sah, merkte ich, dass ihn das verunsicherte. Er rückte mit dem Stuhl zurück und sagte, dass er sich mit diesen Papieren nicht auskenne.
Schließlich bekam ich ein Arbeitsangebot als Küchenmonteur in einem Möbelhaus. Meine Sprache war nicht gut, aber sie wollten mich, weil ich die passenden Qualifikationen hatte. Was mich überraschte: Die Ausländerbehörde stimmte zu, schon nach zwei Wochen. Freunde hatten mir von monatelangen Wartezeiten erzählt. Aber das war eine sehr nette Frau – die einzig Nette dort bei der Ausländerbehörde, ganz ehrlich.
Das klingt nach einem Happy End. Aber es kam anders?
Zwei Jahre konnte ich dort arbeiten. Dann geriet mein Arbeitgeber in Schwierigkeiten und ich verlor meinen Job. Kurze Zeit später wurde mein Asylantrag endgültig abgelehnt und ich bekam eine Duldung. Ich hatte große Angst vor einer Abschiebung, aber ich gab nicht auf. Ich suchte wieder persönlich Schreinereien auf und fand eine, die mir einen Ausbildungsplatz zusagte.
Bei der Ausländerbehörde aber sagte man mir, dass ich in den ersten sechs Monaten der Duldung ein Arbeitsverbot habe und deswegen auch keine Ausbildung machen darf. Ich war sehr enttäuscht. Ich hatte mir so viel Mühe gegeben und hatte ja die Möglichkeit, mein eigenes Einkommen zu verdienen.
Später erfuhr ich, dass das gar nicht stimmte. Die Ausländerbehörde hätte mir damals eine Arbeitserlaubnis geben können. Die Regeln sind einfach so kompliziert, wie hätte ich darauf kommen können, dass die Behördenmitarbeiter falsche Auskünfte geben? Später kam noch hinzu, dass die Ausländerbehörde mir vorwarf, dass ich angeblich bei der Passbeschaffung nicht mitwirken und dadurch meine Abschiebung verhindern würde. Sie sagten, ich darf erst wieder arbeiten, wenn ich einen iranischen Pass vorlege.
»Die Regeln sind einfach so kompliziert, wie hätte ich darauf kommen können, dass die Behördenmitarbeiter falsche Auskünfte geben?«
Ahmad F.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass Sie sich nicht genügend um einen iranischen Pass bemüht hätten?
Ich habe mich bemüht, einen Pass zu bekommen. Es ist aber schwierig, die dafür notwendigen Dokumente zu beschaffen. Als Mann muss man für die Passausstellung eine Befreiung vom Wehrdienst vorlegen – oder eine Wehrdienstkarte, die einen bereits abgeleisteten Militärdienst beweist. Ich hatte so eine Karte, musste sie aber bei meiner Asylantragsstellung beim BAMF [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge] abgeben. Ich habe versucht, die Karte wiederzubekommen. Das BAMF sagte, dass es das Dokument der Ausländerbehörde geschickt habe, die Ausländerbehörde sagte, dass sie es nicht erhalten haben. Ich glaube, sie ist bei den deutschen Behörden verloren gegangen.
Mir blieb deswegen nur, meinen im Iran lebenden Vater zu bitten, die Karte dort für mich neu zu beantragen. Dafür brauchte er eine Vollmacht von mir, für die ich beim iranischen Konsulat vorsprechen musste.
Wie fühlte es sich für Sie an, beim iranischen Konsulat um etwas bitten zu müssen?
Dorthin zu gehen, machte mir große Angst. Es war zu einer Zeit, in der ich nach dem Tod Jina Mahsa Aminis oft an den regimekritischen Demonstrationen vor genau diesem Konsulat teilnahm – mit meinem unverdeckten Gesicht. Ich hatte Sorge, dass die Mitarbeiter mich durch Fotos und Videos von den Demos wiedererkennen und über meine regimekritischen Aktivitäten Bescheid wissen. Als der Tag gekommen war, teilte ich Freunden die Uhrzeit mit, zu der ich die Botschaft betrat. Ich sagte ihnen: Ihr müsst etwas tun, wenn ihr länger als zwei Stunden nichts von mir hört.
In der Botschaft wurde ich sehr unangenehm behandelt. Sie löcherten mich mit Fragen zu meinem Wohnort, wo und über welchen Weg ich nach Deutschland kam und vieles weitere. Das möchte ich nicht alles erzählen.
Deine Spende für die Menschenrechte
Wie ist Ihre jetzige Situation?
Mit der Hilfe von PRO ASYL und einer Anwältin habe ich seit kurzem endlich eine Arbeitserlaubnis. Insgesamt sind anderthalb Jahre vergangen, in denen ich nicht arbeiten durfte. Leider hat die Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde die Arbeitserlaubnis nur handschriftlich auf meine Duldung notiert. Ich habe sie gebeten, mir ein neues Dokument auszudrucken, aber sie lehnte das ab, weil das Geld koste.
Können Sie sich vorstellen, was Arbeitgeber von mir denken, wenn ich ihnen dieses Papier zeige? Sie gehen direkt auf Distanz. Sie fragen sich wahrscheinlich, ob ich die Notiz selbst auf das Papier geschrieben habe. Es ist schwierig für mich, damit eine Arbeit zu bekommen. Die Arbeitgeber müssen auch oft zu lange auf die Bearbeitung bei den Ausländerbehörden warten. Das schreckt ab. Eine Stellenzusage hatte ich nur aufgrund der Wartezeit bei meiner Ausländerbehörde wieder verloren.
Was würden Sie Politiker*innen raten, was es braucht, damit Geflüchtete schneller in Arbeit kommen?
Es braucht Verfahren, die der tatsächlichen Lebenssituation der Menschen gerecht werden und weniger bürokratisch sind. Warum muss so viel Zeit vergehen, bis Menschen wie ich arbeiten können? Es gibt doch Fachkräftemangel. Ich habe schon viel Arbeit gefunden, aber sie selten bekommen.
PRO ASYL unterstützt Ahmad F. weiterhin bei seinem Weg zu einem sicheren Aufenthalt und beteiligt sich an den Anwaltskosten. Leider kann er nicht vom Chancenaufenthaltsrecht profitieren, da er vier Monate nach dem Stichtag einreiste. Seine Anwältin konnte mittlerweile erreichen, dass das Arbeitsverbot aufgehoben wurde und Ahmad F. ist wieder auf Arbeitssuche. Wenn er in Arbeit ist, werden PRO ASYL und seine Anwältin ihn dabei unterstützen, ein Bleiberecht aufgrund nachhaltiger Integration nach § 25b Aufenthaltsgesetz zu beantragen – um damit endlich ein Leben in Sicherheit zu führen, ohne Angst vor Abschiebung in den Iran.
*Name geändert
fw, jb
The post »Ich habe schon viel Arbeit gefunden, aber sie selten bekommen.« first appeared on PRO ASYL.