Schäbig und rechtswidrig: Gesetzentwurf zur Abschaffung des Familiennachzugs

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Deutschland ist in einer tiefen politischen Krise: Zum ersten Mal wurde im Bundestag ein Antrag mit den Stimmen der rechtsextremen Partei AfD angenommen. Nicht zufällig ging es dabei um massive Verschärfungen in Asylfragen. Den Antrag zu einem Fünf-Punkte-Plan hatte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz mit seiner Fraktion gestellt – wohl wissend, dass die notwendige Mehrheit nur mit der AfD zu bekommen war – die die Mehrheit für den Fünf-Punkte-Plan dann auch als einzige beklatschte und den Erfolg für sich reklamierte.

Die demokratische Brandmauer, also das konsequente Nicht-Zusammenarbeiten mit Rechtsextremen, ist damit im Bundestag gefallen. Neben der CDU und AfD stimmten auch Abgeordnete der FDP sowie fraktionslose Abgeordnete für den Antrag. Letztlich haben vier Stimmen den Ausschlag gegeben.

Die demokratische Brandmauer, also das konsequente Nicht-Zusammenarbeiten mit Rechtsextremen, ist damit im Bundestag gefallen.

Die Reaktionen sind entsprechend: Der Holocaust-Überlebender Albrecht Weinberg gab seinen Bundesverdienstorden zurück, selbst Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel übte öffentlich Kritik an ihrem Nachfolger Merz als CDU-Chef. PRO ASYL protestierte mit vielen Menschen spontan am selben Abend vor der CDU-Parteizentrale in Berlin. Hierbei machte PRO ASYL gemeinsam mit der Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes besonders auf die geplante Abschaffung des Familiennachzugs für Bürgerkriegsflüchtlinge (sogenannte subsidiär Schutzberechtigte) aufmerksam.

Nächste Entscheidung: Abstimmung über den Familiennachzug

Denn es geht noch weiter: Am Freitag (31. Januar 2025) stehen zwei Gesetzentwürfe der CDU zur Abstimmung, und zum zweiten Mal könnte mit den Stimmen den Rechtsextremen eine Mehrheit im Bundestag entstehen. Mit einem der Gesetze – mit dem schrecklichen Namen Zustrombegrenzungsgesetz – soll der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten komplett abgeschafft werden.

Subsidiärer Schutz wird Geflüchteten zuerkannt, denen im Herkunftsland ein »ernsthafter Schaden« droht, weil sie Opfer eines Bürgerkriegs sind oder weil sie in Gefahr sind, Opfer von Todesstrafe oder Folter zu werden. Dies trifft eine große Gruppe von Geflüchteten in Deutschland: Mitte 2024 lebten 351.000 Menschen mit subsidiärem Schutz in Deutschland. Darunter sind besonders viele syrische Staatsangehörige, aber auch Menschen aus Afghanistan, dem Irak, Eritrea oder anderen Ländern. Mehr als die Hälfte von ihnen lebt bereits seit mehr als sechs Jahren in Deutschland – also alles andere als vorübergehend, wie zum Teil in der Debatte suggeriert wird.

Familiennachzug als Spielball politischer Interessen

Schon mehrmals war der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten Thema politischer Auseinandersetzungen. Bis März 2016 waren sie rechtlich mit Flüchtlingen gleichgestellt. Aus gutem Grund, denn häufig sind sie aus den gleichen Ländern geflohen und können nicht sicher mit ihren Familien im Herkunftsland leben.

Ab März 2016 hatte die damalige Große Koalition von CDU/CSU und SPD den Familiennachzug für sie für zwei Jahre ausgesetzt. Zeitgleich hatte das Bundesamt für Asyl und Flüchtlinge (BAMF) begonnen, immer mehr Asylsuchenden, insbesondere aus Syrien, nicht mehr den Flüchtlingsschutz, sondern nur noch den subsidiären Schutz zuzusprechen. Damit waren von der Aussetzung viel mehr Personen betroffen, als in der politischen Debatte behauptet.

Eigentlich hätte die Aussetzung im März 2018 auslaufen sollen. Doch nach heftigen Auseinandersetzungen einigte man sich in der Großen Koalition im Juli 2018 auf das Gesetz, das bis heute gültig ist: Monatlich können bis zu 1.000 Visa für den Familiennachzug der Ehegatten und minderjährigen Kinder – oder Eltern bei unbegleiteten Minderjährigen – zu subsidiär Schutzberechtigten erteilt werden. Das Versprechen der Ampelkoalition, diese Diskriminierung zu beenden und Familienzusammenführung zu subsidiär Geschützten mit den GFK-Flüchtlingen (Genfer Flüchtlingskonvention) gleichzustellen, wurde nicht eingelöst.

Auch das Grundgesetz schützt Ehe und Familie: Gemäß Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz (GG) stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.

Verbot des Familiennachzugs ist menschenrechtswidrig

Die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 8) garantiert das Recht auf Achtung des Familienlebens. Ein generelles Verbot würde dieses Recht verletzen. Die UN-Kinderrechtskonvention (Artikel 10) verpflichtet Staaten, Anträge auf Familienzusammenführung human und beschleunigt zu behandeln. Ein Verbot würde dem Kindeswohl widersprechen.

Auch das Grundgesetz schützt Ehe und Familie: Gemäß Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz (GG) stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dies verpflichtet den Staat aber dazu, die familiären Belange in einer Abwägung angemessen zu berücksichtigen. Je länger die Trennung dauert und je unvorhersehbarer ein Ende ist, desto höher müssen die familiären Belange bewertet werden. Ein kompletter Ausschluss des Familiennachzugs ist daher verfassungswidrig. Da es Menschen mit subsidiären Schutz in der Regel nicht möglich ist, in einem anderen Land sicher mit ihrer Familie zu leben, ist Deutschland dazu verpflichtet, die Familieneinheit hierzulande zu ermöglichen (siehe hierzu ein ausführliches Rechtsgutachten von PRO ASYL und JUMEN).

Verhinderung des Familiennachzugs ist dramatisch

Kriege und Diktaturen halten sich meist über viele Jahre, die meisten der subsidiär Geschützten bleiben dauerhaft in Deutschland. Sie bauen sich in dieser Zeit ein Leben auf, werden berufstätig, Kinder gehen in die Schule. Mehr als die Hälfte der subsidiär Schutzberechtigten lebt seit mehr als sechs Jahren in Deutschland. Ihr Aufenthalt ist nicht vorübergehend, sondern oft für immer.

Eine Abschaffung der Möglichkeit eines Familiennachzugs, der ohnehin nur sehr eingeschränkt und nach einem langwierigen Verfahren möglich ist, hat gravierende soziale Folgen für die persönliche Situation von Geflüchteten und damit auch für ihre Integration in die Gesellschaft.

Für die psychische Gesundheit von Geflüchteten und damit auch für ihre Möglichkeiten, sich zu integrieren, ist der Nachzug der Familie unverzichtbar.

Familiennachzug: Einer der wenigen sicheren Fluchtwege

Für die psychische Gesundheit von Geflüchteten und damit auch für ihre Möglichkeiten, sich zu integrieren, ist der Nachzug der Familie unverzichtbar. Dies belegen Studien, aber es ist auch leicht nachzufühlen, dass es schwer ist, sich auf deutsche Vokabeln oder eine Ausbildung zu konzentrieren, wenn Ehepartner und Kinder im Herkunftsland zurückbleiben müssen. Schon jetzt belastet es viele in Deutschland Schutzberechtigte, dass der Familiennachzug aktuell oft Jahre dauert.

Der Familiennachzug ist auch einer der wenigen sicheren Zugangswege nach Deutschland überhaupt. Wenn dieser verschlossen wird, dann müssen auch die Kinder oder Ehepartner*innen von Menschen, die hier bereits Schutz bekommen haben, in Boote oder Lastwagen steigen, um zu ihren Angehörigen nach Deutschland zu kommen.

Wohl vorerst kein Gesetz – aber was passiert nach der Wahl?

Der Gesetzentwurf der CDU/CSU sieht keine Übergangsfrist vor und würde damit auch all jene treffen, die seit langem auf den Familiennachzug ihrer engsten Angehörigen hoffen und derzeit auf einen Termin zur Antragstellung oder die Entscheidung des Visumsantrags warten. Da der Gesetzentwurf neben der Abschaffung des Familiennachzugs auch erweiterte Befugnisse für die Bundespolizei zur Durchführung von Abschiebungen enthält, ist das Gesetz zustimmungspflichtig. Das heißt, auch wenn im Bundestag eine Mehrheit entsteht, muss der Gesetzentwurf noch in den Bundesrat, wo eine Mehrheit unwahrscheinlich ist. Außerdem müsste zunächst eine Eilbedürftigkeit festgestellt werden, damit der Bundesrat überhaupt in dieser Legislatur noch über das Gesetz berät.

Die Abstimmung ist damit primär ein gefährliches wahltaktisches Manöver von Friedrich Merz, das aber der Demokratie aufgrund der Zusammenarbeit mit Rechtsextremen massiv schadet. Es wirft aber auch einen Schatten darauf voraus, welche Gesetze unter einer von Merz geführten Regierung zu erwarten sein können. Die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 wird damit nicht nur zur Schicksalswahl für die Demokratie, sondern auch ganz konkret für das Familienleben von Tausenden Menschen.

(jb/wj)

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