PRO ASYL: Britische Regierung mit Ruanda-Gesetz auf gefährlichem Kollisionskurs mit Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten

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Heute in den frühen Morgenstunden wurde im britischen Parlament ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, dass die 2023 vom höchsten britischen Gericht als menschenrechtswidrig verurteilten Abschiebungen von Flüchtlingen nach Ruanda erzwingen soll. PRO ASYL kritisiert den Ruanda-Deal als menschenrechtswidrig und dysfunktional.

„Die britische Regierung treibt den Deal mit Ruanda auf Teufel komm raus voran, obwohl Abschiebungen in das Land eindeutig rechtswidrig sind, die Zusammenarbeit extrem teuer ist und der Deal in der Praxis absehbar nicht funktionieren wird. Das ist ein dunkler Tag für den Flüchtlingsschutz und für den britischen Rechtsstaat. Es ist erschreckend, dass auch deutsche Politiker und Politikerinnen diesem zerstörerischen Plan nacheifern und die Illusion nähren, durch solche Modelle ließe sich Flucht verhindern. Vorausschauender wäre es, sich stattdessen für eine effektive Unterstützung der Kommunen und für mehr sichere Fluchtwege einzusetzen“, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Britische Regierung untergräbt weltweiten Flüchtlingsschutz

Mit dem Gesetz über die Sicherheit von Ruanda (Asyl und Einwanderung) wird rechtlich festgeschrieben, dass Ruanda ein „sicherer Drittstaat“ für Flüchtlinge sei. Dabei hat der britische Supreme Court erst im November 2023 die konkrete Gefahr festgestellt, dass Flüchtlinge von Ruanda aus in ihre Heimatländer und damit in die Verfolgung abgeschoben werden könnten. Geklagt hatten unter anderem Geflüchtete aus Syrien und dem Iran. Genau solche Kettenabschiebungen in die Verfolgerstaaten sind im Zuge einer früheren ähnlichen Zusammenarbeit zwischen Israel und Ruanda passiert, wie der Supreme Court feststellte.

Darüber hinaus soll mit dem Gesetz die Wirkung der Europäischen Menschenrechtskonvention für Ruanda-Abschiebungsfälle außer Kraft gesetzt werden. Die Einhaltung von einstweiligen Anordnungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der im Juni 2022 einen ersten Abschiebungsversuch nach Ruanda in letzter Minute gestoppt hatte, soll für die britische Regierung nur noch optional sein.

Nachdem der Gesetzentwurf in den letzten Wochen zwischen Unter- und Oberhaus feststeckte, hat das Oberhaus nun nachgegeben. Bis zuletzt hatte es unter anderem Ausnahmen für britische Ortskräfte, etwa aus Afghanistan, sowie einen unabhängigen Expert*innenausschuss gefordert, der die Sicherheit Ruandas beurteilen sollte. Diese Forderungen wurden in der Nacht aufgegeben.

„Mit dem Gesetz untergräbt die britische Regierung nicht nur den weltweiten Flüchtlingsschutz, indem sie versucht, sich aus der eigenen Verantwortung für Schutzsuchende zu stehlen, sondern auch den europäischen Menschenrechtsschutz. Menschenrechte gelten nicht nur dann, wenn sie Regierungen bequem sind. Es ist fatal, dass die britische Regierung ihre verfehlte Politik über das Recht stellt“, so Judith.

Deals wie mit Ruanda haben gravierende Konsequenzen

PRO ASYL verurteilt Versuche der Auslagerung des Flüchtlingsschutzes wie den der britischen Regierung als Verstoß gegen die internationale Verantwortungsteilung, der sich Staaten mit der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet haben. In der Praxis führen solche Deals regelmäßig zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen, wie etwa Abschiebungen trotz drohender Gefahren für Leib und Leben („refoulement“ genannt) oder auch willkürliche Inhaftierungen. In England zeigt sich zudem, welche negativen Auswirkungen solche Politikansätze bereits heute haben – selbst wenn noch keine einzige Person nach Ruanda abgeschoben wurde:

Seit einer Gesetzesänderung 2023 ist das britische Innenministerium verpflichtet, Asylanträge als unzulässig abzulehnen, da andere Länder für die in England ankommenden Schutzsuchenden sicher seien. Das führt dazu, dass Tausenden Menschen der Schutz verweigert werden wird, obwohl sie absehbar nie nach Ruanda abgeschoben werden können. Die Zahl nicht bearbeiteter Asylanträge ist seit 2020 – dem Start der Ruanda-Politik – stark gestiegen. Amnesty International spricht deswegen auch davon, dass die britische Regierung mit ihrem Plan schon jetzt das englische Asylsystem ruiniert habe.

Neben den menschenrechtlichen Gründen gegen die Abschiebungen gibt es auch ganz praktische Gründe, warum der Plan scheitern wird: Laut Medienberichten kann Ruanda aktuell nur circa 300 Personen pro Jahr aufnehmen. Das sind weniger als 0,5 Prozent der Menschen, die 2023 in England um Asyl nachgesucht haben. Für die britischen Aufnahmestrukturen wird der Deal also keinen spürbaren Unterschied machen.

Gleichzeitig sind die Kosten für die Zusammenarbeit mit Ruanda und die Abschiebungen enorm: Laut des nationalen Rechnungshofs würde England die Umsetzung des Deals über eine halbe Milliarde Euro kosten. Selbst wenn niemand abgeschoben werden sollte, hat die britische Regierung Ruanda die Zahlung von über 430 Millionen Euro versprochen.

Die Angst davor, nach Ruanda abgeschoben zu werden, hat schon jetzt einen massiven Einfluss auf die psychische Gesundheit von schutzsuchenden Menschen im Vereinigten Königreich. Seit 2020 gab es doppelt so viele Suizide von Asylsuchenden in Flüchtlingsunterkünften, als in den vier Jahren zuvor.

Laut dem britischen Refugee Council führt die Angst vor Abschiebungen nach Ruanda dazu, dass Schutzsuchende versuchen auf noch gefährlicheren Wegen nach England zu kommen, um nicht von den Behörden entdeckt zu werden. Statt Asyl zu beantragen, leben sie in der Illegalität, um nicht inhaftiert und abgeschoben zu werden. So meiden Geflüchtete bereits jetzt den Kontakt zu lebenswichtigen gesetzlichen Dienstleistungen und selbst zu Wohltätigkeitsorganisationen. Damit steigt die Gefahr von Missbrauch und Ausbeutung.
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