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Es hieß einmal, die CDU wolle keinen Migrationswahlkampf. Das wurde zwar schon Anfang des Jahres durch immer neue problematische Forderungen unterlaufen, doch nun ist ganz eindeutig: Der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz setzt voll auf einen menschenrechtswidrigen Anti-Asyl-Kurs im Wahlkampf.
Nach der entsetzlichen Tat von Aschaffenburg bräuchte die deutsche Gesellschaft eigentlich Zeit, um innezuhalten, um den zweijährigen Yannis und den Mann zu betrauern, der Zivilcourage zeigte und einschritt. Und es bräuchte Zeit, in der Umstände der Tat richtig aufgeklärt und Schlüsse daraus gezogen werden können, wie solche Taten künftig verhindert werden können.
Der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz setzt voll auf einen menschenrechtswidrigen Anti-Asyl-Kurs im Wahlkampf.
Doch stattdessen wird die Tat knallhart für den Wahlkampf instrumentalisiert. Merz kombiniert Forderungen aus alten CDU-Gesetzesverschärfungsanträgen mit dem aktuellen CDU-Wahlprogramm und versucht, in der aufgeheizten Stimmung mit den rechtswidrigen Vorschlägen zu punkten. Besonders gefährlich: Er kündigte bereits an, hierfür auch die Zustimmung der Rechtsextremen in Kauf zu nehmen und mit ihren Stimmen seine Anträge im Bundestag durchzubringen.
Konkret geht es um folgende Initiativen:
- Antrag zu einem Fünf-Punkte-Plan
- Antrag zu einem »Sicherheitsplan«
- Neuer Gesetzentwurf zum Thema Zurückweisungen
- Gesetzentwurf für ein sogenanntes Zustrombegrenzungsgesetz vom September 2024
Die Entschließungsanträge könnten am Mittwoch, 29. Januar 2025, nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz, von der CDU zur Abstimmung gebracht werden. Die Gesetzesentwürfe könnten am Freitag, 31. Januar 2025, noch auf die Tagesordnung gesetzt werden – es sind schon Anträge zur Migrationspolitik angemeldet. Die Gesetzentwürfe müssten dann aber noch in den Bundesrat, der Gesetzentwurf für ein »Zustrombegrenzungsgesetz« ist zustimmungspflichtig – und eine Mehrheit im Bundesrat ist hierfür nicht sicher. So ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Gesetze noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar final beschlossen werden. Die Rechtsextremen und Völkischen haben bereits ihre Zustimmung zugesichert. Das Abstimmungsverhalten der demokratischen Parteien im Bundestag wird zeigen, ob das letzte Tabu fällt.
Das ist das gefährliche Kalkül der CDU/CSU beim Thema Zurückweisungen
Ganz vorne im aktuellen Wahlkampf steht die Ankündigung von Friedrich Merz, am ersten Tag seiner Kanzlerschaft das geltende Recht auszusetzen und einen »faktischen Einreisestopp« und Zurückweisungen von schutzsuchenden Menschen an allen Binnengrenzen zu erlassen. Das Kalkül: Recht wird ignoriert, Grenzen dicht gemacht, die Schengen-Freizügigkeit zerlegt, Grundgesetz, Völker- und Unionsrecht zur Seite geschoben. Damit soll ein Dominoeffekt entstehen: Alle anderen Mitgliedstaaten sollen gezwungen werden, die gleichen rechtswidrigen Maßnahmen zu ergreifen – bis hin zu den EU-Außengrenzen.
Die CDU/CSU nimmt das Leid der zurückgestoßenen Geflüchteten bewusst in Kauf. Die hässlichen Bilder sind gewünscht. Die Zurückweisung aller Schutzsuchenden bedeutet, dass Opfer dieser harten Politik auch Familien mit Kindern sind.
Mit diesem rein nationalistischen Ansatz des mächtigsten Mitgliedslandes der EU droht das bestehende europäische Asylsystem zusammenzubrechen. Die einst stolze Europapartei CDU ist unter der Führung von Merz bereit, das Projekt Europa nachhaltig zu schädigen.
Eindeutig rechtswidrige Forderungen
Nicht nur beim Thema Zurückweisungen an den deutschen Grenzen stehen CDU/CSU nicht auf dem Boden des Gesetzes, tatsächlich verstoßen viele ihrer Forderungen eindeutig gegen europäisches oder internationales Recht oder gegen das Grundgesetz. Dass die CDU sich aber hiervon nicht stören lässt, ist ein beunruhigendes Signal.
Die Vorschläge der CDU/CSU im Überblick:
Das Reisen ohne Grenzkontrollen ist eine der größten Errungenschaften der EU. Entsprechend begrenzt sind die Möglichkeiten, rechtskonform Binnengrenzkontrollen einzuführen. Der Schengener Grenzkodex sieht nur in absoluten Ausnahmefällen und als letzte Handlungsoption vor, dass bei konkreten Gefahren vorübergehend Binnengrenzkontrollen angeordnet werden können. Unbefristete und dauerhafte Grenzkontrollen sind also europarechtswidrig. Hinzu kommt, dass Grenzkontrollen innerhalb der EU immer auch politisch brisant sind. Bereits die von der Ampel-Regierung kurzfristig und an allen Binnengrenzen eingeführten Kontrollen führten zu erheblichen Irritationen bei den Regierungen der Nachbarländer.
Merz kündigt an, am Tag 1 seines Amtsantritts einen faktischen Einreisestopp zu erlassen und schutzsuchende Menschen an den deutschen Grenzen abzuweisen. Das sind sogenannte Pushbacks, die gegen europäisches und internationales Recht verstoßen. Geltendes Recht ist: Wenn ein Asylsuchender einen Asylantrag an der deutschen Grenze stellt, muss geprüft werden, ob er gefährdet wird, wenn er in einen Drittstaat oder in das Herkunftsland zurückgeschickt wird. Auch in Ländern der EU gibt es immer wieder menschenrechtswidrige Zustände, die Rückführungen in sie verbieten. Das EU-Recht gibt mit der Dublin-III-Verordnung zudem einen eindeutigen Verfahrensweg vor, der beschritten werden muss, wenn Asylsuchende in einen anderen EU-Mitgliedstaat gebracht werden sollen.
Die CDU/CSU argumentiert, Zurückweisungen seien bereits die Norm in der EU (zum Beispiel in Italien und Griechenland), nur Deutschland agiere als »Geisterfahrer« (so Thorsten Frei, parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion) in Europa. Und CDU/CSU berufen sich auf eine angebliche Notlage nach Ausnahmeregelungen in Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV): Diese erlauben es Mitgliedstaaten, bei »außergewöhnlichen Umständen« nationale Maßnahmen zu treffen. Doch: Die Chancen, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine solche Notlage anerkennt, gelten als äußerst gering. Eine solche Niederlage vor Gericht nimmt die Union aber billigend in Kauf, weil sie erst einmal Fakten schaffen will.
Zunehmend werden in der Rhetorik der CDU alle ausreisepflichtigen Personen zu einer Gefahr stilisiert, ganz nach dem Vorbild von Donald Trump, der ausschließlich von »criminal aliens« spricht, um so Angst zu schüren. Mit der Forderung, alle »vollziehbar ausreisepflichtigen« Personen inhaftieren zu wollen, ist die CDU mit jeder Menschenrechtskonvention im Konflikt, da die Inhaftierung von Menschen zur Flucht- und Migrationskontrolle stets nur als letztes Mittel angewendet werden darf. Sie haben ja keine Straftat begangen, für die sie in Haft müssten. Eine solche Maßnahme würde Tausende Menschen treffen, von denen viele einer Arbeit nachgehen. Auch das deutsche Grundgesetz setzt jeder Inhaftierung enge Grenzen.
Erneut unterstreicht die CDU ihre Forderung nach Abschiebungen in die Krisenländer Syrien und Afghanistan. In Afghanistan haben die Taliban einen Willkürstaat mit rabiaten Gesetzen und brutaler Bestrafung aufgebaut. Bei Rückkehr drohen Folter und unmenschliche Behandlung. Auch ist die humanitäre Lage weiterhin katastrophal im Land. In Syrien ist der langjährige Diktator Assad zwar im Dezember 2024 gestürzt worden. Doch weniger als zwei Monate nach diesem historischen Ereignis ist noch völlig offen, in welche Richtung sich das Land entwickeln wird, ob neue Konflikte ausbrechen oder wirklich die Rechte aller Minderheiten beachtet werden. Nach vielen Jahren des Bürgerkriegs ist die humanitäre Lage weiterhin sehr prekär. Deswegen bleiben Abschiebungen in beide Länder völkerrechtswidrig.
Die CDU/CSU fordert, dass die Bundespolizei selbstständig Haftanträge stellen darf, wenn sie ausreisepflichtige Personen kontrolliert hat. In der Bundesrepublik Deutschland sind polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Befugnisse jedoch klar geregelt und getrennt, insbesondere bei Eingriffen in die persönliche Freiheit. Diese klare Trennung ist eine Lehre aus dem Nationalsozialismus. In Deutschland kann keine einzige Polizeibehörde einen Haftbefehl beantragen. Die Staatsanwaltschaften sind »Herrin des Verfahrens«. Deswegen liegt ausschließlich bei ihnen das Recht, Haftanträge bei Gericht zu stellen. Dieses System der Gewaltenteilung und Überprüfung ist ein Grundpfeiler unseres funktionierenden Rechtsstaats und darf nicht aufgeweicht werden.
Eine Abschaffung der Familienzusammenführung für subsidiär Schutzberechtigte verstößt gegen internationale, europäische und deutsche Rechtsnormen. Die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 8) garantiert das Recht auf Achtung des Familienlebens. Ein generelles Verbot würde dieses Recht verletzen. Die UN-Kinderrechtskonvention (Artikel 10) verpflichtet Staaten, Anträge auf Familienzusammenführung human und beschleunigt zu behandeln. Ein Verbot würde dem Kindeswohl widersprechen. Auch das Grundgesetz (Artikel 6: Schutz von Ehe und Familie, sowie Artikel 1: Menschenwürde) würde durch einen völligen Ausschluss verletzt.
Das Verhindern des Familiennachzugs hat zudem gravierende soziale Folgen für Geflüchtete, die sich sowohl auf ihre persönliche Situation als auch auf ihre Integration in die Gesellschaft auswirken.
Wenn die Rechte einzelner Gruppen in Frage gestellt werden, dann betrifft uns das alle.
Für PRO ASYL ist klar: Die Brandmauer muss stehen!
Die aktuellen Entwicklungen machen vielen Menschen aktuell Angst. In welche Richtung entwickelt sich unsere Gesellschaft? Was passiert mit unserer Demokratie? Für PRO ASYL ist klar: Flüchtlingsschutz und Demokratie gehören zusammen. Menschenrechte gelten für alle gleich. Wenn die Rechte einzelner Gruppen in Frage gestellt werden, dann betrifft uns das alle. Angesichts dieser dramatischen Entwicklung rufen wir dazu auf, die Würde schutzsuchender Menschen zu verteidigen. Denn nur so bleibt die Menschenwürde unveräußerlich und gilt für uns alle!
(kk, wj)
The post Die CDU unter Merz gefährdet Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland first appeared on PRO ASYL.